Die Odysee der Feuerspritze der Freiwilligen Feuerwehr Hillscheid

 

Zum 167. Geburtstag der Feuerspritze von 1824 hat es die Feuerwehr übernommen, das erste fahrbare Löschge­rät der Gemeinde zu restaurieren. Dabei konnte sie sich ganz auf den Sach- und Fachverstand ihres Kameraden Rolf Kauert von der FFW Höhr-Grenzhausen verlassen. Über ihr bewegtes Schicksal, ihre Einsätze, die an ihr vor­genommenen Reparaturen und ihre Verdienste ließe sich viel schreiben. Wir wollen jedoch hier nur auf ihrer erstes Lebensjahr und die ,,Pensionsjahre“ eingehen.

Am 20. Juni 1823 schließt der Montabaurer Stadtschultheiß Löhr im Auftrag der Spritzenbezirke Dernbach und Untershausen und der Gemeinden Arzbach und Hillscheid einen ,,Accord" (Vertrag) mit dem Spritzenmeister Franz Philipp Roth zu Idstein über die Fertigung von vier neuen Spritzen ab. Darin werden Ausstattung, Lieferumfang und -zeit, Preis und Garantie vereinbart.

Der Vertrag beschreibt auch die für unsere Gemeinde bestellte Spritze: auf einem vierrädrigem Wagen befindet sich eine Saug- und Druckspritze mit einem Wasserkasten, der aus Eichenholz gefertigt und innen mit Kupferblech beschlagen ist. Er soll ,,solid in der Bauart und in allen Teilen meister- und dauerhaft" gearbeitet sein. Der Auswurf des Wassers geschieht durch einen ,,Schwanenhals", an dem ein lederner Schlauch von 75 Fuß (ca. 23 m) Länge befestigt werden kann. (Die Füllung des Wasserkastens ist von Hand - durch Eimer - vorzunehmen). Sein Inhalt beträgt 3 Ohm (ca. 450 l). Die Spritze ist in der Lage, in einer Minute 1½ Ohm 70-80 Fuß (ca. 20-25 m) weit zu werfen. Die Wirkung muß auch bei ,,unreinstem Wasser" erreicht werden. Wagen, Werk und Kasten sind mit ,,doppelter Ölfarbe versehen und von diesen Farben des Herzoglichen Hauses", (d.h. blau und orange). Auf dem Wagen ist der Name der Gemeinde vermerkt. Zur Bedienung sind 8-10 Leute erforderlich. (Dazu selbstverständlich noch die Wasserzuträger). Als Mitte September 1824 bekannt wird, daß die Spritze bis Ende des Monats fertiggestellt ist, erläßt die Gemeinde eine Bekanntmachung, die hier wörtlich folgen soll.

 

,,Hillscheid, den l8ten Sept. 1824

 

Nach hinlänglich genugsamer Bekanntmachung wird die Feuer Spritze für die Gemeinde Hillscheid zu Idstein gegen nachstehende Bedingnuß am wenigst nehmen übergeben.

  1.) hat der übernehmer die Feuer Sprütz zu Idstein

     durch zwey Pferde abzuholen

  2.) hat derselbe Zoll, Pflaster und Schose (Chaussee)

     Geld selbst zu bezahlen

  3.) hat derselbe die Sprütze ganz auf seine Gefahr und

     kosten bis in das Spritzenhaus zu bringen

  4.) bekomt der Führer nach guter Lieferung denn be­

     dungenen betrag aus der gemeinde Cassa

Es blieb Letztbietender

Schult(ei)ß Kleudgen     12fl

Die Genehmigung Herz.Amts bleibt vorbehalten für die

Richtige Vollziehung

                                                             Kleudgen Sch(ulthei)ß

 

Gegen die zweite Unterschrift wendet der Amtmann in Montabaur ein, der Schultheiß könne den Vertrag mit sich selbst nicht auch noch bestätigen. Erfordert deshalb die Unterschrift der Gemeindevorsteher

Der schon betagte Schultheiß (er starb um die Jahreswende 1824/25) holt die Spritze nicht selbst in Idstein ab. Wahrscheinlich hat er seine Söhne damit beauftragt. Nachdem die Spritze an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, wird sie am 30.9.1824 von den beiden Montabaurer Spritzenmeistern, Schlossermeister Schmidt und Schreiner Disper, genau untersucht und ,,dreimalen die Probe gemacht“ Dabei wird sie als ,,in allen Teilen solid und meisterhaft nach Vorschrift des Accords gefertigt erkannt, gleichwie sie bei der Probe der Erwartung entsprochen hat“.

 

 

 

 

Inzwischen sind die Zahlungen fällig geworden. Damit läßt sich aber die Gemeinde - wenn man den Aussagen des Lieferanten Glauben schenken darf - Zeit. Deshalb beschwert sich am 1. Dezember 1824 der Spritzenfabrikant beim Amtmann in Montabaur: ,,So ungern ich es auch thue, so bin ich doch gezwungen, mein Guthaben vor die der Gemeinde Hillscheid erbaute Feuerspritze wieder in Erinnerung zu bringen, indem ich bis jetzt noch nichts erhalten habe. Ich habe schon viele Spritzen und zum Teil vor blutarme Gemeinden gemacht, aber keine einzige hat es mir gemacht wie Hillscheid".

Die Zahlung, die „auf einen Haufen" d.h. vollständig bei Ablieferung der Spritze fällig gewesen ist, steht also noch aus. Roth kündigt an, er werde sich, falls er nicht innerhalb von 8 Tagen „befriedigt" werde, bei der Regierung in Wiesbaden beschweren.

Zwei Wochen später schreibt der (neue) Gemeinderechner Johann Kleudgen an den Lieferanten, es tue ihm leid für die „Nieterträgtigkeit" der Gemeinde, doch sei er nur angewiesen, bis Weihnachten die Hälfte zu bezahlen. Er sei bereit, das Geld nach Niederselters zu bringen, wenn der Fabrikat ihm den Gang dorthin bezahle. Wiederum 14 Tage später berichtet Roth dem Amt Montabaur; er habe auf seine Eingaben hin weder Geld noch eine Antwort erhalten. Nun mute ihm der Rechner Kleudgen zu, zur Erlangung der Hälfte seines Geldes auch noch Botenlohn zu zahlen. Für seine gute und meisterhafte Arbeit werde er nicht nur am „,Narrenseil" herumgeführt, sondern man versuche ihn auch noch ,,auf alle mögliche Art zu brandschatzen". Bei ihm gelte der Grundsatz, nur das zu kaufen, was er bezahlen könne, und ,,so hätte es die Gemeinde Hillscheid auch machen sollen." Massiv fordert er innerhalb 14 Tagen sein gesamtes Geld oder die Rückgabe der Spritze frei nach Idstein, andernfalls er beim Staatsministerium Beschwerde einlege.

Sogleich nach Erhalt des Schreibens ergeht vom Amt Anweisung an die Gemeinde zur Bezahlung der Spritze. Der Schultheißereiverwalter Menningen kündigt am 31.12. die Bezahlung der Hälfte zum 3.1.1825 in Idstein an, und am 26.1.1825 schreibt er; Roth werde „kürzlich" d.h. bald, seine volle „Befriedigung erhalten".

Zur Ehrenrettung der Gemeinde, und um etwas Licht in diese verworrene Angelegenheit zu bringen, muß man wissen, daß gerade zu dieser Zeit die wichtigsten Gemeindeämter; das des Schultheißen und des Rechners, neu besetzt worden sind. Nach Ausweis der Gemeinderechnungen hat die Gemeinde dem Fabrikanten Roth gezahlt: am 30.9.1824 bei Übernahme der Spritze 40fl, am 30.12.1824 einen Anschlag von 310f1, am 24.1. 1825 weitere 150f1 und am 24.2.1825 den Rest mit 200f1. Der abgelöste Rechner Knöllinger wendet sich in diesem Zusammenhang an die Regierung, und der neue Rechner Kleudgen verklagt den Amtmann. Die Aufklärung der Hintergründe bietet Ortshistorikern sicher ein interessantes Betätigungsfeld.

Überspringen wir die nächsten 150 Jahre und bestätigen dem Spritzenhersteller noch im nachhinein seine solide Arbeit. Die Spritze fährt und spritzt und spritzt, bis sie durch Anschaffung einer Motorspritze nicht zum Invaliden gemacht, sondern in Pension geschickt wird und im Spritzenhaus ganz ruhige Tage verlebt, bis. .. ja, bis jemand eines Tages den Raum zur Unterstellung seines unfallgeschädigten Wagens beansprucht. Nun ist die Spritze hinderlich und wird an einen Altwarenhändler verkauft. Als dies offenkundig wird, erwerben traditionsbewußte Männer sie von dort aus eigener Tasche zurück Das möge man ihnen hoch anrechnen, denn die Spritze, die noch heute den Originalanstrich trägt, hat es verdient, in Ehren gehalten zu werden. Doch eines Tages plazieren Mitarbeiter der Verbandsgemeinde de „Kukkuck" auf den Spritzenwagen, weil fällige Verbindlichkeiten nicht erfüllt werden. Um die Spritze zu erhalten, den „Kuckuck" aber loszuwerden, ,,kauft" die Gemeinde das Löschgefährt im Wert von 550 DM nach fast 160 Jahren zum zweiten Male.

Der Spritzenhersteller Roth aus Idstein müßte im Grabe vor Freude hüpfen, könnte er erleben, wie prompt die Gemeinde reagiert und wie geschätzt sein Werk noch immer ist.

Wenn es nun in den alten nassauischen Farben Blau und Orange neu erstrahlt, ist dies ein Dienst der Feuerwehr an ihrem Veteranen, der schon tätig gewesen ist, als es noch keine Freiwilligen Wehren in Deutschland gegeben hat.

 

 

 

Auszug aus dem Festbuch der Freiwilligen Feuerwehr Hillscheid zur 100 Jahrfeier 1991